Demokratie und 
Beteiligung 
in der 
offenen Jugendarbeit

„Einfach ganz normale Imme, sonst brauch‘ ich nix.“

Dies war die Antwort einer zwölfjährigen Besucherin unserer Einrichtung (dem Kinder- und Jugendhaus Immenweg, genannt „Imme“) auf meine Bitte, sich doch vielleicht als Vorbereitung auf unsere Vollversammlung schon mal zu überlegen, was sie sich so wünscht, welche neuen Ideen sie hat, einfach was die Imme für sie und ihre Freunde und Freundinnen sein soll. Andere äußerten sich ähnlich und blieben dann der Versammlung fern („zu langweilig“). Das Ganze ist in der Anfangszeit der Imme passiert, also vor fast 20 Jahren, und war meine erste Erfahrung mit der Herausforderung, unsere Besucher und Besucherinnen an der Gestaltung unseres, also eigentlich ihres, Hauses zu beteiligen.

Die Zeiten haben sich inzwischen geändert. Der Beteiligungsgedanke ist mittlerweile nicht mehr nur ein optionales Angebot, sondern fest in den Konzepten und Ideen sozialer Akteure verankert. Das Ziel wird zum Beispiel vom Kinder- und Jugendbüro Steglitz-Zehlendorf so formuliert: „Die Beteiligung von jungen Menschen an allen sie betreffenden Angelegenheiten muss als selbstverständlich anerkannt werden.“


Sonderform Offener Bereich

Die Grundprinzipien der offenen Jugendarbeit – Freiwilligkeit, Niedrigschwelligkeit und der Fokus auf die Interessen der BesucherInnen – müssen dabei zu einem anderen Beteiligungsansatz führen als etwa in Schulen, Kindertageseinrichtungen oder Jugendverbandsarbeit.

So ist die Abstimmung „mit den Füßen“ der Normalzustand im offenen Bereich: Wenn das Angebot nicht gefällt, kommt man eben nicht. Auch die konzeptbedingt oft unregelmäßige Teilnahme erschwert den Aufbau von regelmäßigen Beteiligungsformen. Zudem haben klassischerweise die BesucherInnen einer offenen Einrichtung eher wenig positive Erfahrungen mit demokratischer Beteiligung in Schule oder sozialem Umfeld gemacht, was eine gewisse Partizipationsferne begründet.


Wie gehen wir damit um?

Umso wichtiger für uns, Wege zur Beteiligung zu finden. Das geschieht zunächst wie alles, was wir anbieten, mit Zuhören und Gesprächen, die normalerweise eingebettet sind in die vielen und bunten Angebote der Einrichtung. Manche Ideen werden zwischen Tür und Angel entwickelt, manche in den entspannten Stunden der Kunstgruppen, wiederum andere mitten in der Action. Es sind Ideen, die den Köpfen und der Fantasie der Kinder entspringen, ohne von uns Erwachsenen „aufgedrückt“ zu werden. Manchmal ziehen diese Ideen dann Kreise, manchmal verlaufen sie im Sand. Aber dieser „vorbereitende“ Prozess läuft permanent und bietet dann die Grundlage für verschiedenste Beteiligungsformen.

Diese dürfen aber nicht zu „schulisch“ sein – die Kinder und Jugendlichen riechen es Meilen gegen den Wind, wenn wir Ihnen einen verkappten Klassenrat vorsetzen wollen. Die Beteiligung in der offenen Arbeit darf den Spaß am gemeinsamen Handeln nie aus den Augen verlieren, auch wenn natürlich eine ernsthafte Beschäftigung mit den Themen gewährleistet sein muss.


Wie beteiligen wir uns?

Die Beteiligungsformen in der Imme sind vielfältig und unterschiedlich. Manches bezieht sich direkt auf die Einrichtung, manches auch auf die „Außenwelt“.

So haben wir eine regelmäßig neu zu besetzende Helfergruppe, die sich an der Gestaltung des Alltags beteiligt, sich beispielsweise um die Blumen kümmert, aufräumt, alles in Ordnung hält. Aus dieser Gruppe kam auch die Idee mit der konsequenteren Mülltrennung, die mit Begeisterung umgesetzt wurde (siehe Bild „Projekt Mülltrennung“).

Auch die Idee, sich an einer „Fridays for Future“-Demo zu beteiligen, kam aus den Reihen der Kinder und wurde mit einer Schulkooperation umgesetzt. In den Kunstgruppen der Imme wurde über das Thema gesprochen, und es wurden Plakate entwickelt und gestaltet. Eines schaffte es sogar in die Presse: Auf dem Bild sehen wir eines der Plakate bei der Entstehung in der Imme und auf einem offiziellen dpa-Pressefoto.

Erst kürzlich erzielte einer unserer Jugendlichen einen großen Erfolg: Er nimmt regelmäßig an einer unserer Fitness-AGs teil und hatte die Idee, sich an der Berliner Jugendjury zu beteiligen, um ein neues Trainingsgerät zu besorgen. Mit Erfolg: Über den Jugend-Demokratiefonds Berlin bekamen wir 1000,- Euro und erweitern damit das Fitness-Angebot der Imme.

Natürlich sind die BesucherInnen, beispielsweise bei Versammlungen, nach wie vor hin- und hergerissen bei der Entscheidung zwischen „Chillen“ und „Mitbestimmung“. Wobei ja auch das Chillen als berechtigtes Interesse der Jugend gesehen werden kann, bei dem es haufenweise Gelegenheit gibt, weitere Interessen zu artikulieren und in einen Partizipationsprozess zu überführen. Aber eine Aussage wie die eingangs zitierte hören wir inzwischen nur noch selten. Wir überprüfen regelmäßig unsere Beteiligungsangebote mit Hilfe von Umfragen und natürlich persönlichen Gesprächen.

Eine der dabei entscheidenden Fragen kann eigentlich jedes Kind beantworten: Woran merkst du, dass deine Meinung ernst genommen wird und du Einfluss nehmen kannst? Denn letztendlich sind die Kinder und Jugendlichen selbst die ExpertInnen für ihre Bedürfnisse.

Jörg Backes
Projektleiter
Kinder- und Jugendhaus Immeweg


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