Selbstbestimmt leben

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Selbstbestimmt zu leben, ist ein wenig wie eine Kunst. Man kann es lernen und wie bei der Kunst, hört das Lernen nie auf. Lasst uns beginnen.

Ich arbeite seit vielen Jahren bei den andersberater.de, einer, wie wir es nennen „Werkstatt für Unternehmensentwicklung“ und durfte dort sehr viele Menschen nicht nur kennenlernen, sondern auch auf ihrem Weg in die berufliche Selbständigkeit oder in neue Jobs begleiten. Bei so gut wie allen Menschen, die zu uns kommen, ist ein Bedürfnis nach Selbstbestimmtheit oder Selbstbestimmung zu erkennen, wenngleich es auch nicht bei allen gleich stark spürbar ist.

Zwei Pfade

Ich möchte hier den Weg zu einem selbstbestimmten Leben aufzeigen, der über die zwei Pfade Selbstliebe und Perspektive führt. Vielleicht könnte man ein Ergebnis dieser Wanderung dann Selbstwirksamkeit nennen. Doch letztlich sind es nur Worte oder Begriffe, mit denen wir versuchen, etwas zu beschreiben, das uns lebendig fühlen lässt.

Ich möchte an dieser Stelle an das alte, ja wirklich uralte Prinzip von Ursache und Wirkung erinnern, das im Alltag oft vergessen wird, obwohl es uns stets umgibt und begleitet. Denn „von nichts kommt nichts“. Oder etwa doch?

Vom Wesen der Liebe

Ich bin immer wieder darüber erstaunt, wie wenig wir Menschen über die eigentliche Qualität der Liebe wissen, obwohl sie doch in Filmen, Gedichten und romantischen Bekundungen verliebter Menschen oft die Hauptrolle zu spielen scheint. 

Auf die Frage, was denn Liebe sei, antworten die meisten, dass sie ein Gefühl sei, und damit beginnt einer der größten Irrtümer überhaupt. Hier werden meist sowohl Ursache und Wirkung, als auch Wesenhaftigkeit/Wesen mit dem Phänomen verwechselt.

Die wohl berühmteste Quelle der westlichen Welt über das Wesen der Liebe ist in der Bibel im 1. Brief der Korinther im Kapitel 13 in den Versen 4 bis 13 zu finden („Die Liebe ist langmütig, hält allem stand, hört niemals auf ...“ etc). 
 
Diese Aufzählung beschreibt keine übermenschlichen Eigenschaften von Liebenden, sondern versucht, etwas an sich Unfassbares wie die Liebe, seinem Wesen nach einigermaßen sprachlich in den Be-Griff zu bekommen (zu be-greifen).

Im Buddhismus geht es darüber hinaus auch um eine weitere Seite der Liebe und zwar um ihre praktische Ausübung (pali = „metta“ und sanskrit = „maitri“ für Freundlichkeit, liebende Güte). Die Metta Bhavana, eine Meditation zur Übung der Fähigkeit zu liebender Güte ist, neben der Übung von Achtsamkeit, eine der zentralen Meditationsmethoden in der buddhistischen Praxis.

Wenn wir von dem Verständnis, dass Liebe ein Gefühl sei, zur Liebe als einer Fähigkeit gelangen, die durch Übung erlernt werden kann, dann haben wir einen großen und wichtigen Schritt in Richtung Selbstbestimmung getan. 

Wir haben nun die Möglichkeit vor uns, uns selbst mit Liebe zu versorgen, indem wir sie uns geben, anstatt sie von anderen zu erhoffen oder zu erwarten, dass andere sie uns geben. Mit dieser Fähigkeit nicht nur andere, sondern auch uns selbst zu lieben ausgestattet, werden wir ein Gefühl von Wärme und Befreiung empfinden, mit dem wir nun beginnen können, zu gestalten. Die heilende und stabilisierende Wirkung von Liebe ist überall zu beobachten, wo Menschen, Tiere, ja vermutlich auch Pflanzen sie empfangen dürfen.

Liebe beinhaltet aber auch eine Entscheidung, die wir treffen müssen, wenn es schwierig wird im Leben und wir nicht weiterwissen oder uns nicht vollständig fühlen. Wenn wir glauben, dass etwas fehlt, das wir von außen erwarten (und das ist auch und gerade in Bezug auf Liebe der Fall), genau dann brauchen wir eine klare Entscheidung für die Liebe zu uns selbst. Wir können Liebe geben und wir können sie empfangen. Beides ist wichtig und wir sollten dieses bewusst auch für uns selbst tun, damit wir keinen Mangel an dieser heilsamen Kraft erleiden.

Der Wert der Perspektive

Wir haben nun ein Potenzial geschaffen, das zugleich aus Material, als auch aus einer inneren Haltung besteht, mit dem wir uns selbst die Güte zuteil werden lassen, unseren Lebensweg mit wunderbaren Qualitäten zu versehen. 
 
Wenden wir uns nun der Perspektive zu. Wir haben wohl alle schon einmal erlebt, ohne eine Perspektive für uns und unser Leben zu sein. Früher oder später wird dieses wohl jedem/r einmal geschehen. Ohne eine Perspektive zu sein, fühlt sich schrecklich an, denn es gehen verschiedene Emotionen damit einher, die weh tun und die wir gerne vermeiden würden. Wir können uns wertlos fühlen, Angst haben (z.B. Zukunftsangst), wir können uns ungeliebt fühlen und glauben, dass wir ohne Verbindung zu anderen Menschen sind. Und wir können uns ganz und gar fehl am Platze fühlen und uns wünschen, ganz woanders auf der Welt zu sein oder am liebsten gar nicht zu existieren.

Ein besonders hartes Schicksal erleiden Menschen, die durch einen Krieg, durch Vertreibung, durch Verbrechen oder ein Unglück das verloren haben, was ihnen bis dahin wertvoll war und ihnen Halt gab. In diesen Situationen tritt das Gefühl oder die Empfindung der Perspektivlosigkeit vielleicht am stärksten auf und es scheint in diesen Momenten nichts dagegen zu helfen. 

Der Zen-Lehrer Shunryu Suzuki schreibt dazu in seinem Buch „Zen-Geist – Anfänger-Geist“: „Es scheint, als würde etwas von außen in euren Geist kommen, aber in Wirklichkeit sind es nur die Wellen eures Geistes ...“  und  „Nichts außerhalb von euch selbst kann Schwierigkeiten verursachen!“  Die Betonung der inneren Haltung der buddhistischen Lehre stößt im Westen oft auf Unverständnis oder Ablehnung, manchmal sogar auf Wut, weil sie missverstanden wird. Es macht daher Sinn, sich mit dieser Art zu denken und auch des Nicht-Denkens zu befassen, denn es liegen dort große und wundervolle Geschenke für uns bereit, die wir übersehen, wenn wir ausschließlich an unserem gewohnten oder intuitiven Denken festhalten. 
 
„Ich habe keine Chance, aber ich nutze sie!“ ist vielleicht ein guter Ausdruck von paradoxem Denken, das unserem Verstand widerspricht.

Perspektiven gestalten

Hier geht es um Gestaltung. Keine Perspektive und schon gar keine Lebensperspektive ist einfach so da. Niemand kann sie uns von außen geben. Sie ist etwas, das mit uns selbst eng verbunden ist und letztlich sogar uns selbst entspringt.

Wir müssen sie uns erschaffen. Eine Perspektive entsteht, wenn wir sie entstehen lassen. Das macht unser Leben so interessant und lässt uns verantwortlich werden für alles, was uns selbst angeht, egal wie die Welt um uns herum aussieht. Eine Perspektive, die uns wirklich trägt, entsteht aus unseren Wünschen, Absichten Zielen, aber auch aus dem Bild, das wir von uns selbst haben. 

Im Zusammenhang mit der Arbeit mit den andersberatern sind mir Menschen begegnet, die ein sehr klares und positives Selbstbild hatten. Sie leiteten daraus ihre Absichten und Ziele ab und gingen frisch ans Werk. Sie machten sich selbständig oder gründeten ein kleines Unternehmen. Oder sie machten sich auf den Weg, um sich eine neue Aufgabe als Angestellte zu suchen. Man könnte sagen, dass sie sehr selbstwirksam waren und ein selbstbestimmtes Leben führten.

Es gab auch diejenigen, die weder ein klares, noch ein positives Selbstbild hatten. Sie litten meist unter den Verhältnissen und in erster Linie litten sie unter sich selbst und ihren quälenden Gedanken und „lästigen“ Emotionen. Sie waren wesentlich weniger selbstwirksam und führten ein Leben, das sich vermutlich deutlich weniger selbstbestimmt anfühlte, als das der anderen.

Ursache und Wirkung

Ein selbstbestimmtes Leben ist ein Leben, in dem ich selbst wirksam bin und einen weitreichenden Einfluss auf die Ergebnisse meiner Entscheidungen und Handlungen habe. Es ist ein Leben, in dem mir das Prinzip von Ursache und Wirkung äußerst bewusst ist und in dem ich mich von der Schuldfrage („Wer ist an meiner Lage schuld?“) gelöst habe. Die Frage nach der Schuld ist keine heilsame Frage, denn sie sucht nach einer Last, die ich jemandem (oder auch mir selbst) aufzubürden versuche. 
 
Heilsam und auch neutral ist dagegen die Frage nach der Ursache von etwas. Hier haben wir es mit echter Neugier und Gestaltungsfreude zu tun. Ich möchte vielleicht herausfinden, wie etwas funktioniert oder wie ein Ereignis in mein Leben gekommen ist und dann gewisse Schlüsse daraus ziehen, um zu lernen.

Selbstbestimmt leben

Kommen wir nun endlich zu der eigentlichen Überschrift dieses Artikels: „Selbstbestimmt leben“. (Danke, dass Sie so geduldig bis hier hin gelesen haben).

Auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben gibt es keine Abkürzung. Da es ein aktives Leben ist, bedarf es eigener Entscheidungen und eines ausgeprägten Verantwortungsbewusstseins. Der Weg dorthin bedarf der Bewusstheit über den gegenwärtigen Stand der Dinge in meinem Leben und wirft eine Reihe von Fragen auf, denen ich mich stellen muss.

Wie fühle ich mich? Wie geht es mir? Wie geht es den anderen mit mir? Wie gehe ich mit mir selbst um? Welches Selbstbild habe ich? Bin ich bereits Neues zu lernen und zu wagen, um mich zu entwickeln? Bin ich bereit, unbekannte Wege zu gehen? - und dergleichen mehr.

Wir empfinden unser Leben als selbstbestimmt, wenn wir uns als selbstwirksam wahrnehmen. Wir nehmen uns als selbstwirksam wahr, wenn wir uns unserer eigenen Wünsche, Absichten und Ziele bewusst geworden sind und diese Wirklichkeit werden lassen. Wir sind dazu auf eine natürliche Weise in der Lage, wenn wir ein klares und positives Selbstbild haben und dieses entsteht aus der Liebe zu uns selbst. Mit einem derartigen Selbstbild, darüber hinaus mit einem stabilen positiven Selbstwertgefühl ausgestattet, können wir eine Perspektive entwickeln, entwerfen und gestalten. Auf diesem Pfad können wir nun Dinge tun, denen wir uns zugehörig fühlen, die wir vielleicht sogar ganz als unser eigenes Werk anerkennen. Das nenne ich ein selbstbestimmtes Leben.

Carsten Hokema



Der Autor ist Coach und Berater bei andersberater.de und entwickelt Unterrichts- und Beratungskonzepte in den Bereichen Persönlichkeits- und Unternehmensentwicklung

1 Korinther 13, 4 - 13
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